Rey, Javi / Galic, Betrand / Kris: Ein Match für Algerien. Wien: bahoe books 2021. 24 € .
FUSSBALL ALS STELLVERTRETENDER FELDZUG – EIN MATCH FÜR ALGERIEN
Von Paul Schönwetter
Ein wenig ist es ja „meine“ (Zufalls-)Entdeckung 2019 gewesen. Beim Schlendern durch Reims während der Frauen-WM 2019 sah ich im Buchladen-Schaufenster den französischen Comic „Un maillot pour l’Algérie“. Als Lateiner lediglich den Sinn verstehend dauerte es bis 2021 um die deutsche Übersetzung des Comics „Ein Match für Algerien“ zu verwirklichen und die Geschichte dahinter vollständig zu verstehen und somit nach „Ein Leben für den Fußball“ (PASS 97, S. 75) sowie „Das Spiel der Brüder Werner“ (PASS 99, S. 112f.) ein weitere historisches Fußballereignis als graphic novel auf den Buchmarkt zu bringen.
Fußballgeschichte als Comic oder graphic novel nach zu erzählen kommt mehr in Mode, nirgends sonst ist die Bildsprache für die Vermischung aus Fiktion und wahren Begebenheiten besser kombinierbar und dem Publikum in Kürze leicht zu vermitteln, gerade dann wenn es sich um solch ein komplexes Thema handelt. Ein historischer Anhang samt Interview mit Rachid Mekloufi siebt zudem in einem interessanten Dossier die Fakten heraus.
Der mehrfache Meister, Doublegewinner und Cupsieger mit Saint Étienne steht im Mittelpunkt des Comics: 1958 beschließen elf Fußballer algerischer Herkunft, alle in der französischen ersten Liga beheimatet und erfolgreich, darunter auch französische Nationalspieler, einige sogar auf dem Sprung in den WM-Kader Frankreichs 1958, für die Unabhängigkeit Algeriens zu kämpfen. Sie treten der FLN, der Nationalen Befreiungsfront, bei – nicht, um mit Waffen gegen Frankreich zu kämpfen, sondern mit Fußballspielen auf das Land Algeriens und dem Wunsch der Unabhängigkeit aufmerksam zu machen. Diese neu gegründete und natürlich nicht anerkannte Nationalmannschaft gewinnt anfangs ihre Partien und weiß sich zu inszenieren. Doch nach und nach treten Probleme auf: Länder, die aus Angst vor Sanktionen der FIFA nicht antreten wollen, schwindender Mut und Optimismus ob der Erfolgsaussichten oder diverser Streitigkeiten.
All die Spieler, die ihre Exil-Heimat Frankreich, teilweise ohne Familie verlassen, auf ihre Anerkennung als angesehene Fußballer verzichten, um für das Volk ihrer Herkunft zu kämpfen, verdienen mehr als nur Respekt. Es ist ein hierzulande nur selten beleuchtetes Kapitel der politischen Fußballgeschichte, das dieser Comic in Bild und Wort äußerst anschaulich beschreibt.
1962 ist der Unabhängigkeitskrieg Algeriens beendet, einige der Fußballer kehren nach Frankreich zurück - und zumindest nach anfänglicher Skepsis werden sie in ihren Klubs als das betrachtete, was sie sind: nicht als Volksverräter, sondern als Menschen, die Fußball spielen.
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