Der Inepöögger

Zu einem Soziotypus im westlichen Stadion

 

In den Kurven der westlichen Stadien, und nicht nur dort, wird gejubelt und gesungen, geflucht und getrauert, und dies meistens im Kollektiv. Manchmal indessen sind dort auch einzelne Stimmen klar und deutlich zu vernehmen, und dies besonders während eher flaueren Spielphasen. Es meldet sich dann der Zwischenrufer, so wie einst Herbert Wehner im Bundestag. Oft hat er sich lange auf seinen sorgfältig inszenierten Auftritt vorbereitet, die ganze Woche über an seinen fiesen Zwischenrufen gefeilt, so wie der Maler an seiner Farbgebung und an seiner Komposition.

Dann scheint seine Stunde endlich gekommen zu sein. Mit einem peinlichen Wortwitz eröffnet er seinen Wortschwall, seine bösartigen Tiraden. Er hetzt fortan sowohl gegen die Eigenen als auch gegen die Anderen, gegen den an sich beliebten Trainer, den man schon lange entlassen sollte, gegen Afrikaner im Team sowieso, selbstredend auch gegen sowieso korrupte Funktionäre, Fettsäcke und gegen Warmduscher (er selbst wiegt inklusive Bierwampe circa 128 kg und war selbst nie aktiver Sportler). Gerne macht er sich über körperliche Defizite der Schiedsrichter lustig. Er meint, sein Humor sei unübertrefflich, findet aber allgemein nur wenig Gehör in der Kurve. Trinken tut er scheinbar mässig, aber stetig, denn er ist ein ungeselliger Pegeltrinker, hat keine Freundin, ist wohl subaltern verbeamtet oder Hauswart.

Der Zwischenrufer ist nicht gewaltbereit, aber stachelt zur physischen Gewalt an, lässt es verbal krachen. In der Schweiz nennen wir solche Miesepeter schlicht und einfach «Inepöögger» (»Hineinplärrer»). Eine «Pööggge» oder eine «Gelle» ist ein grosses Maul, der «Inepöögger» ist eben ein Grossmaul, feige von der Art her, in der Kurve meist ohne Freundinnen oder Freunde und Kumpel anwesend. Er biedert sich bei einem Fanclub an, ist aber zu wenig loyal und trinkfest, um dort akzeptiert zu werden. Er nervt, sowohl die Umwelt als auch die Vereinsoffiziellen, die sich wegen Menschen wie ihm stets Bussandrohungen seitens des Verbandes ausgesetzt sehen. Doch so richtig dingfest kann man die Zwischenrufer auch nicht. Ihr Gehetze geht in der Menge unter, und verpetzen will sie auch niemand. Man ist ja kein Verpetzer, hat man bereits in der Schule gelernt, lernen müssen.

So treibt der «Inepöögger» weiter sein bösartiges, ja schmutziges Spiel, gerne im Schutz der Masse wie die Fackelwerfer im Letzigrund oder wie so manch anderer Hooligan. Er weiss selbstverständlich um diesen Schutz der Anonymität, wird im Verlauf der Jahre immer kühner und frecher, ehe er dann einmal coram publico abgekanzelt wird und somit inoffizielles Stadionverbot erhält. Ersatz ist leider schnell gefunden.

 


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