BRÄNDLES BALLBERICHT


  

Der Wiener Ernst Ocwirk (1926-1980)

Vom „Ballschani“ zum Kapitän der Weltauswahl

 

Fabian Brändle

 

Fussballermemoiren – so vielversprechend sie für den Sporthistoriker auch sein mögen, so enttäuscht ist dieser oftmals nach deren Lektüre. Der Autor hangelt sich gleichsam von Cupfinal zu Cupfinal, von WM zu WM, von Hintergründen ist wenig die Rede. Sicher gibt es Ausnahmen, so „Toni“ Schuhmachers „Anpfiff“, der einige Skandalgeschichten hinter den Hotelmauern Preis gibt.

Ernst „Ossi“ Ocwirks Memoiren „Weltbummel“ gehören über weite Strecken zum ersten Typ, schildern sie doch Spielverläufe und Tore des Protagonisten detailliert. Zudem würzt der Autor seine sportjournalistischen Ergüsse mit einigen Anekdoten – und das macht es lesenswert.

 

Der Wiener begann seine Karriere als „Ballschani“ für die Prominenz, brachte also bei Trainings Bälle zurück aufs Feld. Er spielte in seiner Freizeit leidenschaftlich gerne „Knopffussball“ mit seinen Freunden auf einem Tisch zuhause. Fussball war seine Leidenschaft, die Admira sein Team, doch begann er seine beachtliche Karriere beim Floridsdorfer AC (FAC), für den er auch, noch nicht zwanzigjährig, als talentierter Mittelläufer ein erstes Mal fürs Team auflief. Sein Vorbild war „Pepi“ Smistik, der einstige Mittelläufer des „Wunderteams“ der frühen 1930er Jahre.

 

Ernst Ocwirk errang die Aufmerksamkeit der beiden Wiener Grossclubs und bestritt ein Probetraining für Rapid, wechselte dann jedoch zu den „Violetten“, zu Austria Wien. Seine Stärken waren sein genaues Zuspiel, der lange Ball auf die Flügel und ein guter Schuss. Mit der Austria errang der Mittelläufer mehrere Meistertitel und Pokalsiege, avancierte zudem zum Leistungsträger des „Teams“, das in den frühen 1950er Jahren wieder erstarkte und an den Weltmeisterschaften 1954 in der Schweiz den dritten Rang gegen Uruguay errang. Neben Ernst Ocwirk wirkten auch Starverteidiger Ernst Happel, Hanappi oder Probst an diesem Erfolg mit. Das Viertelfinale gegen den Gastgeber war das torreichste Spiel einer WM gewesen und wurde mit 7-5 gewonnen, nach einem frühen 0-3 Rückstand. 

 

Auch Ernst Ocwirk, einer der besten Akteure des Turniers, erinnerte sich an die brütende Hitze auf der Lausanner Pontaise, die beiden Mannschaften arg zusetzte und sogar zu Sonnenstichen führte (Wechsel waren noch nicht erlaubt). Für seine Leistungen wurde Ocwirk ehrenvoll zum Kapitän der Weltauswahl berufen, die in Belfast gegen Grossbritannien antrat. Nach der WM 1954 wechselte „Ossi“ Ocwirk nach Italien zu Sampdoria Genua, wo er mehrere Jahre blieb, gutes Geld verdiente und zum Teil gegen den Abstieg spielte, sich aber zum Teil auch gegen oben orientieren konnte.

 

Als Trainer wirkte Ocwirk bei Austria, recht erfolgreich. Ernst Ocwirk starb jung, im Alter von 54 Jahren, in seinem Haus im Mostviertel bei Wien. Für den Sporthistoriker sind seine durchaus gut geschriebenen Memoiren indesen nicht so ergiebig, aber das konnte der Gute ja nicht wissen.

 


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