BRÄNDLES BALLBERICHT


 

Aufstieg und Niedergang von „Profoot“.

Zur Geschichte einer schweizerischen Fussballergewerkschaft

 

Von Faban Brändle

 

Profisportler stehen nicht im Ruch, besonders solidarisch zu sein. Sie seien Egoisten, heisst es allenthalben, geldgeil, materialistisch, nur auf Porsche und Villa mit Pool bedacht. Dann und wann kommen sogar Forderungen nach einer Lohnobergrenze auf, nach einem „Maximum“, wie es die Französische Revolution in den frühen 1790er Jahren gekannt hat.

 

Der grossgewachsene, athletische schweizerische Verteidiger Andy Egli, Sohn eines sozialdemokratischen Arbeiters aus dem Kanton Thurgau und Profi bei den Grasshoppers Zürich und beim BVB, 77 Länderspiele, widersetzte sich diesem negativen Image und versuchte, zunächst durchaus erfolgreich, im Jahre 1991 eine schweizerische Fussballprofigewerkschaft aufzubauen. Er nannte seine Gewerkschaft neudeutsch „Profoot“.

 

Andy Egli konnte auf einer älteren, losen Interessensgemeinschaft um den ehemaligen Servettien Lucio Bizzini aufbauen und band bald viele Mitglieder an die neue Gewerkschaft. Bald waren immerhin über 300 Fussballer Mitglieder. „Profoot“ versprach Rechtsschutz, ordentliche Verträge, wollte auch einen fairen Lohn für weniger bekannte Fussballer in der Nationalliga B durchsetzen. Die allmächtigen Klubbosse schalteten und walteten nämlich nach Belieben. Manche wirtschafteten schlecht, so dass gewisse Clubs wie der eigentlich ziemlich erfolgreiche FC Wettingen (Europapokalabenteuer gegen Maradonas Napoli mit denkbar knappem Ausscheiden) gar Pleite gingen. Leidtragende waren dann natürlich die Aktiven, die Lohn und Brot verloren, arbeitslos wurden.

 

Das Jahr 1994 brachte eine Sternstunde für den Schweizer Fussball: Erstmals seit 24 Jahren wurde nämlich eine Qualifikation zu einer Fussballweltmeisterschaft geschafft, und dies erst noch in einer starken Gruppe mit Italien, Portugal und Schottland. Egli und Profoot nutzten die im Land exponentiell anwachsende Popularität des Fussballs aus und starteten weitere erfolgreiche Imagekampagnen, organisierten auch eine „Gala des Schweizer Fussballs“ live auf SF DRS, lockten noch mehr Mitglieder (beinahe 500) an, radikalisierten die Forderungen, lancierten ein Pressemagazin, wollten ein Netz an Anwälten und Physiotherapeuten aufbauen.

 

Dies alles hatte indessen seinen Preis. Sponsoren konnten keine Namhaften geworben werden, es kreiste bereits der Pleitegeier über „Profoot“. Zudem verweigerten Nationalliga und Fussballverband (SFV) „Profoot“ die Anerkennung als Sozialpartner. Die Clubpräsidenten witterten Lunte und agitierten gemeinsam mit dem rechtspopulistischen Boulevardblatt „Blick“ gegen die in ihren Augen unbotmässige Vertretung von „links“. Warum sollte man mit Millionären solidarisch sein, fragte sich mancher gutgläubige Eidgenosse. Die Kampagne zeitigte Früchte.

 

Namentlich der Präsident des FC Sitten Luisier und sein Captain Libero und Nationalspieler Alain Geiger machten sich als Gewerkschaftsschreck einen Namen. Die Nationalspieler, in einer eigenen Organisation namens „Swissfoot“ zusammengefasst, kochten zudem ihr eigenes Süppchen, zeigten sich wenig solidarisch mit ihren weit ärmeren Kollegen in der unteren Nationaliga B, die sehr schlecht verdienten und der Allgewalt der Bosse ausgeliefert waren. Andy Egli und seine Mitstreiter planten als Reaktion auf die Rückschläge einen Streik, der mehr oder weniger scheiterte. Daraufhin trat „Profoot“ dem „Schweizerischen Gewerkschaftsbund“ bei, teilweise gegen den Widerstand traditionell denkender Gewerkschafter, die in den Profis auch pauschal Millionäre und nicht hart arbeitende Malocher erblickten.

 

Dann ging „Profoot“ das Geld aus. Die bescheidenen Mitgliederbeiträge von einigen hundert Franken und die schwache Mitgliederbasis (neben Fussballern hätten auch Eishockeyspieler rekrutiert werden können) reichten nicht mehr aus, um das Budget zu decken. Im Frühling 1997 löste sich „Profoot“ auf, das Experiment einer schweizerischen Fussballergewerkschaft war leider gescheitert.

 

August 2020


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